Gruppenfoto Besuch von Jens Klein beim Handelspartner in Nicaragua
Café Chavalo
Weltladentag 2022

Interview über den ersten Kaffee aus Solidarischer Landwirtschaft

Weltladen-Dachverband: Worum geht’s in eurem Projekt?

Ina Schicker: Mit dem wir.Kaffee haben wir die weltweit erste globale SoLawi für Kaffee initiiert. SoLawi steht für Solidarische Landwirtschaft, ein Wirtschaftsmodell, in dem Produzent*innen und Konsument*innen gemeinsam wirtschaften. Konsument*innen erwerben Ernteanteile und bezahlen dafür die Kaffeebäuer*innen, vierteljährlich und unabhängig vom Ernteertrag, für ihre Arbeit. Konkret auf unser Projekt heißt das: Nicaraguanische Kaffeebäuer*innen und deutsche Konsument*innen teilen sich die Verantwortung, das Risiko und den Erfolg im Kaffeeanbau.

Weltladen-Dachverband: Wie ist das Projekt entstanden?

Ina Schicker: Am Anfang stand die Frage, wie wir unsere Handelspartner so unterstützen können, dass ihnen auch in schwierigen Zeiten wie der Corona-Krise geholfen ist, wenn z.B. Erntehelfer*innen ausfallen oder der Kaffee nicht transportiert werden kann. Was es für sie braucht, ist eine Art Absicherung gegen unwägbare Risiken. Bei „Weltläden im Dialog“ habe ich mich mit Jens über die Vision ausgetauscht, dies über eine noch direktere und persönlichere Verbindung zwischen Produzent*innen und Kundschaft in Form einer Solidarischen Landwirtschaft zu versuchen.

Weltladen-Dachverband: Wie ist der aktuelle Stand des Projekts und wer macht alles mit?

Ina Schicker: Im Sommer 2021 sind die ersten 18 Tonnen wir.Kaffee in Deutschland eingetroffen. Das war die komplette Kaffeeernte von 15 Familien. Seither wird der Kaffee in 10 Weltläden in unserer Region (Schwabmünchen, Schongau, Buchloe, Füssen, Pfronten, Bad Grönenbach, Sonthofen, Immenstadt, Oberstdorf, Freising) sowie in zwei Allgäuer Bioläden verkauft.

Jens Klein: Darüber hinaus trommeln wir von Café Chavalo bundesweit, um weitere Partner*innen mit ins Boot zu holen. Neben Weltläden begeistern sich auch Privatleute, Bestellgemeinschaften und vor allem Mitglieder bestehender SoLawis für das Projekt. Aber es ist kein Selbstläufer und verlangt viel Informationsarbeit.

Die Werbung für die Erntesaison 2022 hat letzten November begonnen. Gerne würden wir noch weitere Weltläden als Partner gewinnen. Ab 2022 werden die Ernteanteilsscheine dann auch über den Online-Shop des Weltladen Hamburg-Bergedorf angeboten. Dann können sich bundesweit Kund*innen mit am Projekt beteiligen.

Portrait Dr. Ina Schicker, Weltladen-Koordinatorin Iller-Lech Dr. Ina Schicker, Weltladen-Koordinatorin Iller-Lech

Weltladen-Dachverband: Wie läuft das konkret ab? Und können sich weitere Weltläden beteiligen?

Ina Schicker: Die Weltläden sind selbst als SoLawi-Partner an Bord und haben sich vorab Ernteanteile gesichert. Kund*innen können diesen Kaffee entweder ganz einfach aus dem Regal kaufen oder selber Ernteanteilsscheine zeichnen und damit die Ernte für die nächste Saison aktiv mit vorfinanzieren.

Der Kaffee verkauft sich sehr gut und das Projekt findet viel Anklang. Daher haben fast alle bisherigen Partner ihre Bestellungen für 2022 stark aufgestockt. Die Werbung für die Erntesaison 2022 hat letzten November begonnen. Gerne würden wir noch weitere Weltläden als Partner gewinnen. Ab 2022 werden die Ernteanteilsscheine dann auch über den Weltladen Hamburg-Bergedorf angeboten. Dann können sich bundesweit Kund*innen mit am Projekt beteiligen.

Weltladen-Dachverband: Was ist das Neue an dem Projekt?

Jens Klein: Die Kaffeeproduzent*innen legen im Vorfeld selbst fest, was sie an Geld benötigen, um ihre familiäre Existenz zu sichern, ihre Kinder zu versorgen und ihr Land nachhaltig zu bearbeiten. Das ist ein klarer Gegenentwurf zum herkömmlichen Handel, bei dem die Ware im Mittelpunkt steht und die Ernte am Ende des Jahres zu einem festen Kilogramm-Preis verkauft wird.

Mit dem SoLawi-Modell signalisieren wir als Abnehmer*innen des Kaffees, dass wir den Produzent*innen große Wertschätzung für ihre Arbeit entgegenbringen und sie dabei unterstützen möchten, langfristig an ihrer Vision des umwelt- und sozialverträglichen Kaffee-Anbaus festzuhalten.

Portrait Jens Klein, Café Chavalo Jens Klein, Café Chavalo

Weltladen-Dachverband: Wie entsteht der Preis in der SoLawi?

Jens Klein: Die Kalkulation in Nicaragua basiert auf Zahlen, die die Bäuer*innen selbst ermittelt haben. Sie erhalten von uns in mehreren Raten pro Jahr den Preis, den sie für die Deckung der Produktions- und Lebenshaltungskosten nach eigener Aussage benötigen. Damit sind auch Kosten für Bildung, Gesundheitsvorsorge etc. abgedeckt.

Hinzu kommen die Kosten für Export, Transport, Röstung und Verpackung. Um daraus unseren Preis für die Ernteanteile zu ermitteln, haben wir auf bisherige Erfahrungswerte zurückgegriffen.

Weltladen-Dachverband: Warum ist der Ansatz gerade für Kaffee spannend?

Jens Klein: Kaffee-Handel ist ein hartes Geschäft, denn die Produzent*innen sind abhängig vom Weltmarktpreis. Dadurch, dass Kaffee an der Börse notiert ist, gibt es viele Spekulationsgeschäfte. In schlechten Jahren war es schon so, dass maximal 60 % der Produktionskosten des Kaffees mit dem Preis gedeckt werden konnten. Darauf bieten wir mit dem Fairen Handel bereites eine wichtige Antwort: Der Fairtrade-Mindestpreis sichert die Preise nach unten ab. Der SoLawi-Gedanke geht aber darüber hinaus noch einen Schritt weiter.

Weltladen-Dachverband: Was bedeutet das Projekt für die Produzent*innen in Nicaragua?

Jens Klein: Die SoLawi-Idee war neu für die Produzent*innen in Nicaragua. Aber sie kam zur richtigen Zeit. Das Land steht vor großen Herausforderungen: Die politische Krise, zwei schwere Hurrikans und nun auch noch die Corona-Krise. Viele Menschen verlassen Nicaragua. Unsere SoLawi-Partner und auch die anderen Mitglieder der Kooperative UCA Miraflor bleiben. Das spricht für unser Modell.

Mit dem SoLawi-Modell signalisieren wir als Abnehmer*innen des Kaffees, dass wir den Produzent*innen große Wertschätzung für ihre Arbeit entgegenbringen und sie dabei unterstützen möchten, langfristig an ihrer Vision des umwelt- und sozialverträglichen Kaffee-Anbaus festzuhalten. Unser Modell gibt ihnen große Zuversicht und wirkt auch der Angst entgegen, dass aufgrund politischer Sanktionen der Kaffee-Export aus Nicaragua zunehmend erschwert werden könnte.

Weltladen-Dachverband: Wie geht es mit dem Projekt weiter?

Jens Klein: Für mich ist die SoLawi die Wirtschaftsform der Zukunft. Wenn es nach uns und auch unseren Handelspartnern geht, würden wir das Projekt gerne auch auf weitere Kaffee-Sorten und Familien ausweiten. Daher wäre es großartig, wenn wir weitere Weltläden und auch regionale SoLawis als Kooperationspartner gewinnen. 

Das Interview wurde im Winter 2021/2022 geführt.


Video-Beitrag zum wir.Kaffee

Eingebettetes Modul

Hier wäre normalerweise ein Modul eines externen Dienstleisters zu sehen. Dieses setzt möglicherweise Cookies auf ihrem Rechner. Wenn Sie dies erlauben möchten, passen Sie bitte einmalig Ihre Cookie-Einstellungen an und laden diese Seite erneut. Vielen Dank!

Marivel Gonzalez und Bertilda Vilchez über solidarische Landwirtschaft und Kaffeeanbau in Nicaragua

YouTube erlauben?

Für die Darstellung eines YouTube-Videos auf weltladen.de benötigen wir Ihre Zustimmung. Es werden dabei Daten mit den Servern von YouTube/Google ausgetauscht und möglicherweise Cookies gesetzt.

Neugierig geworden?

Bei Interesse am Projekt meldet euch gerne per E-Mail bei:

Dr. Ina Schicker, koordinatorin@weltlaeden-iller-lech.de

Jens Klein, jens@cafe-chavalo.de

Passend zum Thema

„MÄCHTIG unfair“ läuft der konventionelle Handel oft ab. Der Weltladen-Dachverband hat Fair-Handels-Unternehmen gefragt, wie es ihnen gelingt, trotz Preis- und Kostendruck faire Handelsbeziehungen zu gestalten. Ein Interview mit Amos Bucher, dem Geschäftsführer von fairfood Freiburg.

mehr lesen
Anerkannte Lieferanten

Importeure des Fairen Handels

Anerkannte Lieferanten der Weltläden handeln nach den Fair-Handels-Kriterien der Konvention der Weltläden. Im direkten Kontakt zwischen Produzent*innen und Importeuren fair gehandelter Produkte entstehen langfristige Handelsbeziehungen, die für die Produzent*innen Perspektiven schaffen.

mehr lesen
Fachgeschäfte des Fairen Handels

Warum in den Weltladen?

Kaffee, Tee und Schokolade, aber auch Schmuck, schicke Textilien und schöne Geschenkideen - als Fachgeschäfte des Fairen Handels führen Weltläden die größte Auswahl fair gehandelter Produkte. Aber Weltläden haben noch viel mehr zu bieten ...

mehr lesen
CC BY 4.0-Lizenz

Datenschutz-Einstellungen

Wir setzen auf weltladen.de Cookies ein und nutzen externe Webdienste für verschiedene Zusatzfunktionen. Hier können Sie steuern, inwiefern Sie uns hierfür die Erlaubnis erteilen möchten.
Klicken Sie auf „Alle akzeptieren“, um auf unsere Webseite mit allen Zustimmungen zu gelangen. Klicken Sie auf „Einstellungen übernehmen“, um nur die ausgewählten Zustimmungen zu erteilen.

Detailinfo

Stand: 10/2022

Diese Hinweise gelten für die unter weltladen.de erreichbaren Webseiten, im Folgenden benannt als „unsere Webseite“ oder „weltladen.de“.

Wir setzen auf weltladen.de Cookies ein und nutzen externe Webdienste für verschiedene Zusatzfunktionen. Hier können Sie steuern, inwiefern Sie uns hierfür die Erlaubnis erteilen möchten. Abhängig von Funktion und Verwendungszweck können die Datenschutz-Optionen in drei Kategorien eingeteilt werden:

Unbedingt erforderliche Funktionen

Diese Cookies sind notwendig, damit Sie auf der Webseite navigieren und deren Funktionen verwenden können, zum Beispiel um sich anzumelden oder um Formulare auszufüllen. Unbedingt erforderliche Cookies benötigen nach geltendem Recht keine Einwilligung durch die Nutzerin oder den Nutzer.

Performance-Cookies

Diese Cookies sammeln Informationen über die Nutzung der Webseite, z. B. welche Seiten am häufigsten besucht werden und wie sich Besucherinnen und Besucher auf der Webseite bewegen. Sie helfen uns, weltladen.de so zu gestalten, dass Sie sich gut orientieren können und die gesuchten Informationen schnell finden.

Eingebettete Module

Wir binden auf der Website an einigen Stellen kleine Anwendungen, Spiele oder Videos ein, die nicht auf unserem Server liegen, sondern von externen Dienstleistern bereitgestellt werden. Einige dieser Module verwenden externe Cookies, weswegen wir hierfür Ihre Zustimmung benötigen.

Auf unserer Webseite verwendete Funktionen

Erforderliche Cookies

Cookie Domain Domain Cookiename Name Lebensdauer [Tage] Dauer [Tage]
www.weltladen.de cookietypes 356
www.weltladen.de wires Sitzung
www.weltladen.de wires_challenge 30

Performance-Cookies

Cookie Domain Domain Cookiename Name Lebensdauer [Tage] Dauer [Tage]
www.weltladen.de Matomo 386

Eingebettete Module

Cookie Domain Domain Cookiename Name Lebensdauer [Tage] Dauer [Tage]
*.gstatic.com, *.googleapis.com Google Maps 356
h5p.org H5P 712
* Sonstige Module 356
vimeo.com Vimeo 356
gstatic.com, youtube.com, youtube-nocookie.com YouTube 356

Datenschutzerklärung