Ein Leben mit weniger Plastik
Deshalb versuchen immer mehr Menschen, Plastik und Einweg-verpackungen im Alltag zu reduzieren. Auch der Faire Handel und Weltläden stellen sich dieser Herausforderung. Lernen Sie hier ganz unterschiedliche Beispiele kennen.
Plastik: Vielseitig verwendbar und äußerst ungesund
Die massenhafte Herstellung und Verbreitung von Kunststoff-Produkten begann in den 1950er Jahren. Zahlreiche Verbindungen, wie Polyethylen, Polystyrol und Polypropylen, wurden entwickelt. In der Regel ist Erdöl die Grundlage eines synthetischen Herstellungsverfahrens, bei dem am Ende Stoffe entstehen, die sehr nützliche Eigenschaften haben können: hart, biegsam, elastisch oder widerstandsfähig. Diese Eigenschaften werden häufig noch verstärkt, indem Weichmacher, Flammschutzmittel, Stabilisatoren oder ähnliches zugesetzt werden. In der enormen Haltbarkeit von Kunststoffen besteht gleichzeitig eines der großen Probleme.
Plastik, wie man all diese Kunststoffe im Alltag nennt, vergeht nicht. Stattdessen reichert es sich überall auf der Welt an. 150 Millionen Tonnen Plastik befinden sich Schätzungen zu Folge bereits in den Meeren, 8 Millionen Tonnen kommen jedes Jahr hinzu. Völlig unzerstörbar sind Kunststoffe jedoch auch nicht: Während das Material durch Sonneneinstrahlung, Temperatureinwirkung oder Abrieb spröde wird und sich zersetzt, gelangen äußerst schädliche Inhaltsstoffe in die Umwelt und damit in die Nahrung von Mensch und Tier. Diese sind zum Teil giftig oder krebserregend oder können das Hormonsystem verändern. Kleinste Plastik-Teilchen, sogenanntes Mikroplastik, findet sich mittlerweile überall: in Tiermägen, im Hochgebirge, in der Arktis und auf dem Meeresboden.
Zum Wegwerfen hergestellt
Weltweit werden jährlich um die 400 Millionen Tonnen Kunststoffe produziert, Tendenz steigend. In Deutschland werden allein 30 Prozent der verarbeiteten Kunststoffe zur Herstellung von Verpackungen benötigt: Sie werden also hergestellt, um gleich wieder entsorgt zu werden. Rein rechnerisch hat eine Plastiktüte in Deutschland eine Nutzungsdauer von 25 Minuten bis sie zu Müll wird. 400 Jahre braucht es hingegen, bis die gleiche Tüte „abgebaut“ ist.
Politik reagiert mit gesetzlichen Vorgaben
Ab 2021 werden einige Wegwerfprodukte aus Plastik EU-weit verboten, darunter Strohhalme, Wattestäbchen und Styroporbehälter. Bis 2025 soll die jährlich zulässige Menge an Einweg-Plastiktüten von 200 Stück pro Einwohner*in (2017) auf 40 Stück gesenkt werden. In Deutschland dürfen dafür bestimmte Plastiktüten seit Mitte 2016 nicht mehr kostenlos abgegeben werden.
Außerhalb Europas greifen einige Staaten bereits zu drastischeren Maßnahmen: Im indischen Mumbai muss seit Juni letzten Jahres mit einer Geld- oder gar Gefängnisstrafe rechnen, wer mit einer Einwegtüte, -flasche oder einem Plastikbecher erwischt wird. In elf afrikanischen Staaten ist die Verwendung von Plastiktüten verboten. Den Anfang machte Tansania bereits 2005. Das deutet zumindest auf ein weltweit gestiegenes Problembewusstsein hin. Umweltverbände drängen noch stärker auf das Vermeiden von Plastik und ein Ende der Wegwerfgesellschaft.
Eine Welt mit weniger Plastik ist möglich
Die Welt um uns herum ist voller Plastik. Die negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität auf unserem Planeten sind so verheerend, dass es höchste Zeit ist, diesen Zustand zu verändern. Hören wir also auf die Mahnung der streikenden Schüler*innen von „fridays for future“: „Es gibt keinen PLANet B“ und reduzieren wir schleunigst unseren Plastikverbrauch. Tipps dazu gibt es auch bei Umweltorganisationen oder auf der Nachhaltigkeitsplattform Utopia.
Im Weltladen lassen sich außerdem viele Produkte finden, die helfen, Plastik zu reduzieren: Kaffeebecher (von Fairkauf), Bienenwachstücher (von Baghi), Einkaufsnetze (von WeltPartner) und natürlich wunderschöne Gebrauchsgegenstände aus Naturmaterialien wie Holz, Horn, Bambus oder Keramik.
Plastikfreier leben: Beispiele aus dem Fairen Handel
Das Bekenntnis zur Vermeidung und umweltverträglichen Entsorgung von Müll ist in den Leitlinien des Fairen Handels festgeschrieben, darunter in der „Konvention der Weltläden“. Und wenn auch der Faire Handel keinesfalls plastikfrei ist, so gibt es doch eine Vielzahl nachahmenswerter Ansätze zum Verzicht auf Plastik. Impulse kommen dabei nicht nur aus dem Globalen Norden.
Produzentinnen verschicken Textilien unverpackt
Das kleine Fair-Handels-Unternehmen handtrade. in Deutschland musste sich auf Initiative der ghanaischen Partner bei Global Mamas mit der Frage auseinandersetzen, wie wunderschöne, hochwertige Kleidung aus gebatikter Bio-Baumwolle „lose“, also ohne Einzelverpackung, verschickt und verkauft werden kann. Für Global Mamas ist Müllvermeiden eine Selbstverständlichkeit. Die Frauen bekleben die fertigen Textilien mit einem Strichcode und legen sie dann zu je 50 kg in gebrauchte Kunststoffsäcke, die wiederum in recycelten Kartons verschickt werden. Gabi Ludwig von handtrade. war zunächst skeptisch. Heute strahlt sie, wenn sie darüber spricht und berichtet, wie sich manch eine Weltladen-Mitarbeiterin freut, nach der Lieferung nicht Berge an Müll entsorgen zu müssen.
Im Weltladen Offenburg mit eigener Dose einkaufen
Seit ein paar Monaten werden im Offenburger Weltladen „Regentropfen“ neben Kaffee auch Reis, Linsen und Kichererbsen ohne Verpackung angeboten. Nach der Umstellung auf ökologische Energieversorgung stellten sich die Weltladen-Aktiven die Frage: „Was können wir noch tun?“. Dabei fiel die Aufmerksamkeit auf die „unverpackt“-Läden, die seit 2014 an immer mehr Orten in Deutschland eröffnet werden. Das Weltladen-Team informierte sich über rechtliche Anforderungen, technische Umsetzungsmöglichkeiten, Lieferanten für Großgebinde und Preise. Schließlich entstand eine Bedienzone mit Schütten und einer geeichten Waage, in der die Mitarbeitenden die gewünschte Menge der Lebensmittel aus Fairem Handel in die mitgebrachten Gefäße der Kund/innen abfüllen. Für diese ist das sogar preislich günstiger als der Kauf fertig verpackter Produkte. Schraubgläser können im Weltladen notfalls gekauft und Stofftaschen ausgeliehen werden.
Lieferanten entwickeln umweltfreundliche Tee-Kuverts
Die Fair-Handels-Organisation GEPA verkauft neben losem Tee auch solchen, der in einzelnen Tee-Kuverts verpackt ist. Diese Tee-Mischungen werden sowohl für Privathaushalte als auch für Gastronomie-Betriebe hergestellt. Die Lebensmittelsicherheit schreibt eine Einzelverpackung vor. Das Unternehmen ist bemüht, die notwendigen Verpackungen umweltfreundlicher zu entwickeln. Deshalb nutzt die GEPA für ihre Tee-Kuverts eine Folie, die überwiegend aus FSC-zertifiziertem Holzzellstoff besteht, industriell kompostierbar und nach einem halben Jahr fast komplett verrottet ist. Das gilt auch für die verwendeten Farben und Klebstoffe.
Produzent*innen verwandeln Abfallstoffe in Upcycling-Produkte
Gebrauchte Kunststoffverpackungen sind für manche Produzent*innen-Gruppen ein günstiger Rohstoff. Bei der nepalesischen Fair-Handels-Organisation JeevanKala erwirtschaften Frauen ihr Einkommen, indem sie Körbe aus weggeworfenen Plastikverpackungen flechten oder aus bunt bedruckten alten Reissäcken kunstvolle Taschen schneidern. Sie erschaffen somit schöne und nützliche Upcycling-Produkte und leisten gleichzeitig einen Beitrag zu wachsendem Umweltbewusstsein durch Müll-Sammelaktionen in den Dörfern. Von Upcycling spricht man, wenn aus Weggeworfenem nach dem Sammeln und Säubern hochwertigere Dinge gefertigt werden, darunter Taschen aus alten T-Shirts oder Dosen aus alten Plastikflaschen. Der Handelspartner Frida Feeling bringt die schicken Upcycling-Produkte aus Nepal in Deutschland auf den Markt.
Wiebke Deeken
Zur Person
Wiebke Deeken hat zehn Jahre lang als Fair-Handels-Beraterin die Weltläden in Brandenburg begleitet.