Die Kunst des Silberschmiedens in Mexiko
Autorin: Helena Hiss
Weiße Häuser mit roten Ziegeldächern, eine beeindruckende Barockkirche und schmale Kopfsteinpflaster-Gassen machen Taxco zu einem „pueblo mágico“, einem magischen Ort.
Eliuth Castañeda lebt in Taxco und ist seit über 40 Jahren in der Silberschmiedekunst tätig. Der dreifache Vater hat sich auf die Herstellung schlichter, zeitlos-eleganter Schmuckstücke spezialisiert, die er in der eigenen Manufaktur fertigt. Diese hat er mit viel Fleiß und Durchhaltevermögen vor 30 Jahren selbst aufgebaut und ist stolz darauf, mittlerweile auch zwei Mitarbeiter beschäftigen zu können.
Eines seiner Schmuckstücke ist die Armkette „Tomatillos de plata“. Der Name bedeutet silberne Andenbeere. Inspiriert wurde Eliuth von der runden Form der grünen Frucht, die vor allem als salsa verde (grüne scharfe Soße) ein wichtiger Bestandteil der mexikanischen Küche ist. Wie die tomatillos am Strauch sind auch bei der Armkette kleine, handgefertigte Silberkugeln aneinandergereiht.
In jedem Schmuckstück steckt aufwendige Handarbeit
Zu Beginn seiner Arbeit stellt Eliuth zunächst sogenanntes Sterlingsilber her. Dazu schmilzt er 92,5 Prozent Silber mit 7,5 Prozent Kupfer ein. Die Legierung, die dabei entsteht, ist ideal für die Schmuckherstellung, da der Kupferanteil dem reinen, relativ weichen Silber die nötige Stabilität gibt. Nachdem das von Eliuth hergestellte Sterlingsilber in einer Barren-Form erkaltet ist, wird es zu einem Silberblech ausgewalzt.
Aus diesem Blech stanzen Eliuth und seine Mitarbeiter Halbkugeln aus, die im nächsten Schritt mit einer Pinzette vorsichtig zusammengesetzt werden. Die filigranen Kugeln müssen ganz genau aufeinanderpassen, bevor sie ringsum verlötet werden.
Nach diesem aufwendigen Prozess werden die einzelnen Silberkugeln auf einen dicken Draht aufgezogen und anschließend so lange poliert, bis die Lötnaht nicht mehr sichtbar ist. Im letzten Schritt werden die Kugeln vom Draht genommen und auf eine Silberkette aufgezogen, die Eliuth und seine Mitarbeiter zuvor ebenfalls per Hand angefertigt haben. Abschließend wird ein eleganter Verschluss angebracht und schon bald kann die Armkette „Tomatillos de plata“ ihre neuen Besitzer*innen schmücken.
Auf dem lokalen Absatzmarkt für Silberschmuck fehlen Perspektiven
Obwohl das Silberschmieden in Taxco eine jahrhundertelange Tradition hat, wird es für die Handwerker*innen immer schwieriger, für ihre Schmuckstücke auf dem lokalen Markt einen angemessenen Preis zu erhalten. Die einzige Möglichkeit, mit Kund*innen in Kontakt zu kommen, stellt der wöchentliche Silbermarkt „tianguis“ dar. Hier kaufen aber vor allem Händler*innen ein, die keinen Wert auf gute Handwerksqualität legen. Sie wollen Schmuck zu einem möglichst billigen Preis erwerben, um ihn dann in touristischen Orten teuer weiterzuverkaufen. Durch die Corona-Krise und den ausbleibenden Tourismus ist die Nachfrage zusätzlich stark eingebrochen und der tianguis blieb sogar vorübergehend geschlossen. Dadurch hatten die Silberschmied*innen monatelang keinerlei Verkaufsmöglichkeiten.
Bessere Zukunftsaussichten dank Fairem Handel
Die Covid19-Pandemie hat auch in Taxco gezeigt, dass Solidarität im Fairen Handel einen hohen Stellenwert hat. Fair-Handels-Unternehmen wie der deutsche Schmuckimporteur „pakilia“ legen großen Wert auf langfristige und zuverlässige Handelspartnerschaften. Durch den engen Kontakt, den das Team von pakilia zu Eliuth und 19 weiteren Silberschmiede- Familien in Taxco hat, bekamen sie direkt mit, wie stark die Kunsthandwerker*innen von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie getroffen wurden. Obwohl auch in Deutschland die Schließung des Einzelhandels sowie der Ausfall von zahlreichen Messen und Märkten für einen Umsatzeinbruch sorgten, bestellte das Fair-Handels-Unternehmen pakilia weiterhin und in vollem Umfang Waren bei seinen Handelspartner*innen. Sie wollten ihnen eine Perspektive und ein Einkommen sichern.
Eure Bestellungen sind eine große Erleichterung und Ermutigung für mich, weiterzumachen. Danke, pakilia, für die einzigartige, vertrauensvolle Zusammenarbeit! Gemeinsam stehen wir das durch.
Recyceltes Silber als Rohstoff
Die Herkunft der Rohstoffe ist für Fair-Handels-Unternehmen wie pakilia, die sich um eine komplett faire Lieferkette bemühen, besonders wichtig. Bei der Beschaffung des Rohsilbers stoßen sie jedoch an ihre Grenzen. „Noch gibt es weltweit extrem wenig fair zertifiziertes Silber und dieses ist den Silberschmieden in den reichen Industrienationen vorbehalten. Die Kunsthandwerkerfamilien, mit denen wir zusammenarbeiten, haben keinen Zugang dazu“, erklärt Miriam Müller, eine der Gründerinnen von pakilia.
In Taxco wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts mit dem Silberabbau begonnen und damit eine Tradition begründet, die bis heute anhält. Die Mine der Stadt ist mittlerweile erschöpft, weshalb das Rohmaterial seither überwiegend aus den großen Silbervorkommen im Nachbarbundesstaat Zacatecas kommt. Da in einer Region mit einer so langen Silbertradition bereits große Mengen des Wertmetalls im Umlauf sind, setzen die Kunsthandwerker*-innen auf Recycling und nutzen überwiegend wiederaufbereitetes Silber, das sie von spezialisierten Händler*innen vor Ort beziehen. Auch in ihren eigenen Werkstätten achten die Silberschmied*innen darauf, dass das Edelmetall stets vollständig verwertet wird. Schnittreste, nicht gelungene Arbeiten und sogar der Polierstaub werden eingeschmolzen, wieder aufbereitet und neu verarbeitet. Auf diese Weise werden die Silberressourcen Mexikos geschont und ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet.
Der Preis für recyceltes Silber orientiert sich, genau wie der von neu abgebautem Silber, am börsennotierten Weltmarkt. Die schwankenden Silberpreise stellen die Kunsthandwerkerfamilien regelmäßig vor große Herausforderungen. Während der Pandemie im vergangenen Jahr sind die Preise um über 80 Prozent gestiegen. Um den Silberschmied*-innen angesichts solcher Preisschwankungen eine gewisse Stabilität bieten zu können, setzt pakilia auf Vorfinanzierung. Zusätzlich hat das Fair-Handels-Unternehmen in Deutschland eine Altsilber-Sammelaktion ins Leben gerufen, bei der ungeliebte oder defekte Silbergegenstände für die Kunsthandwerker*innen in Mexiko gespendet werden können.
Individuelle Designs dank traditioneller Techniken
Die Silberwerkstätten in Taxco sind meist kleine Familienbetriebe, in denen mehrere Generationen zusammenarbeiten. Von den 20 Kunsthandwerkerfamilien, deren Stücke im Sortiment von pakilia vertreten sind, hat jede ihren eigenen Stil oder ist auf eine besondere Technik spezialisiert. So trägt jedes Schmuckstück die persönliche Handschrift der Kunsthandwerker*innen, die es hergestellt haben. Die Schmied*innen entwickeln immer wieder neue Designs und setzen auch individuelle Schmuckstücke und Kleinserien um.
Silberschmied Eliuth möchte seinem geliebten Beruf noch so lange wie möglich nachgehen, auch wenn ihm die Arbeit mit zunehmendem Alter nicht mehr so leicht fällt wie früher. Da er im Fairen Handel einen angemessenen Preis für seine Schmuckstücke bekommt, kann er sich eine Altersvorsorge aufbauen. Für die Zukunft wünscht er sich vor allem Gesundheit und soziale Sicherheit für seine Kinder und Mitarbeiter.
Zur Person
Helena Hiss studiert Medienkulturwissenschaften und Anglistik. Seit März 2021 ist sie bei pakilia im Bereich Marketing & Social Media tätig und trägt dazu bei, die Arbeit der mexikanischen Silberschmied*innen
und den Fairen Handel in Europa noch bekannter zu machen.