Einarbeitung neuer Mitarbeiter*innen
Für die Einarbeitung gibt es u.a. zwei unterschiedliche Vorgehensweisen und darauf aufbauende Kombinationen. Diese ergeben sich sowohl aus der Größe und Struktur des Weltladens und der Anzahl der Interessent*innen innerhalb eines Einarbeitungszeitraums als auch aus den unterschiedlichen Erfordernissen in den einzelnen Bereichen der Weltladenarbeit.
Mentor*innenmodell vs. Seminarform
In den meisten Fällen werden einzelne Mitarbeiter*innen angelernt, die im so genannten Mentor*innenmodell im laufenden Ladenbetrieb eingeführt werden. Die Stärke dieser Vorgehensweise ist die praxisorientierte Einführung in den Ladenalltag, bei der sich "die Neuen" gleich erproben können. Ihre Schwäche ist die theoretische Einführung, weil dafür immer zu wenig Zeit im Ladenalltag ist, weshalb das Mentor*innenmodell mit eher theoretischen Lerneinheiten, bevorzugt in der Gruppe, kombiniert werden sollte.
Speziell für einen "großen" Weltladen mit einem hohen Mitarbeiter*innenbedarf und einer hohen Fluktuation bietet sich die Schulung bzw. Einarbeitung mit einer Starter*innen-Gruppe in Seminarform an. Dies ist auch für kleinere Weltläden relevant, die mehrere Bewerber*innen gleichzeitig aufnehmen oder mit benachbarten Weltläden zusammenarbeiten können. Zudem können die Seminare so gestaltet werden, dass sie auch für eingearbeitete Mitarbeiter*innen interessant sind und bestehende Kenntnisse auffrischen. Speziell nach Mitarbeiter*innen-Werbeaktionen bieten sich terminierte Einführungsseminare an, die je nach Umfeld des Weltladens auch fest im Jahreslauf verankert werden können.
Ergänzend empfiehlt sich die Erstellung eines Lernplans (s. unten), mit dessen Hilfe die einzelnen Einarbeitungsschritte und Inhalte dokumentiert werden.
Unabhängig von der gewählten Form der Einarbeitung ergeben sich bestimmte Anforderungen an diejenigen Personen, die das Einführungsseminar durchführen, als Mentor*innen zur Verfügung stehen oder auch die gesamte Einarbeitung im Weltladen koordinieren.
Auswahl von Mentor*innen, Koordinator*in und Seminarleiter*innen
Die verbindliche persönliche Beziehung zwischen dem*der Mentor*in und dem*der neuen Mitarbeiter*in ist die Grundlage für einen gelingenden Anleitungsprozess. Zudem ist es wichtig, dass Neueinsteiger*innen die Teamarbeit im Weltladen – etwa in den verschiedenen Arbeitsgruppen oder bei Ladentreffen – kennen lernen und miterleben.
Die Mentor*innen werden von einer koordinierenden Anleitungsperson begleitet. Der*die Mentor*in hat so eine*einen Ansprechpartner*in für auftretende Probleme in Patenschaft oder bei Seminareinheiten. Außerdem sollte es regelmäßige Treffen für das Einarbeitungs-Team geben, bei dem Erfahrungen ausgetauscht und Inhalte vertieft werden können (ähnlich Supervisionsprozess). Der*die Mentor*in muss sein*ihr Repertoire für den Prozess der doppelten Vermittlung (Beratung eines neuen Mitarbeiters*einer neuen Mitarbeiterin für deren Beratung mit Kund*innen) erst entwickeln und erproben und die dabei entstehenden Unsicherheiten bearbeiten lernen. Eine Sicherung der Anleitung kann zum Beispiel durch (regelmäßige) Fortbildung für die Mentor*innen geschehen; dies gilt in ähnlicher Form für die Seminarleiter*innen.
Bei der Auswahl derjenigen Personen, welche die Einarbeitung im Weltladen durchführen, sollte auf folgende Kompetenzen geachtet werden:
- solide Verkaufserfahrung im Weltladen
- Lust an der Arbeit
- Konfliktfähigkeit
- verantwortungsbewusstes Arbeiten, Vorbildfunktion
- ideal sind Erfahrungen in der Praxisanleitung von Mitarbeiter*innen oder die Teilnahme an Fortbildungen, in denen Anleitungs-, Beratungs- und Lehrprozesse thematisiert wurden (zumindest für den*die Koordinator*in der Einarbeitung)
- Fähigkeit zur didaktischen Reduktion, d.h. Arbeitsabläufe und Themen in überschaubaren und einfachen Portionen darbieten zu können
- Seminarleiter*innen sollten zudem den Umgang mit einer Gruppe gewohnt sein, wohingegen Mentor*innen nur eine Person betreuen müssen
Generell spielt die Vorbildfunktion der Anleitenden auf der Basis des Drei-Säulen-Modells der Motivation eine wichtige Rolle:
Das Drei-Säulen-Modell der Motivation:
- Einbeziehen (Informationen weitergeben, Vorschläge und Kritik einholen, um Hilfe bitten)
- Ermutigen (positives Feedback, Lob und Anerkennung, Unterstützung)
- Vorbild sein (Regeln selbst beachten, alle Mitarbeiter*innen gleich und fair behandeln, ungeliebte Aufgaben übernehmen)
Möglicherweise kann die Arbeit der Mentor*innen honoriert werden (finanziell, mindestens jedoch mit einem Zeugnis), um diese Arbeit aufzuwerten und deren Qualität zu sichern. Die Einarbeitung von neuen Mitarbeiter*innen und der Umgang mit Mitarbeiter*innen generell sollten mit einer Haltung von gegenseitiger Wertschätzung und Anerkennung geschehen. Das ist mehr und auch etwas anderes, als "Danke" zu sagen.
Das Lerntagebuch
Das Lerntagebuch basiert inhaltlich auf dem individuellen Weltladen-Handbuch). Er ist ein Ordner oder Hefter, der dem*der neuen Mitarbeiter*in am ersten Tag der Einarbeitung ausgehändigt wird. Es hilft dem*der neuen Mitarbeiter*in, das eigene Lernen nachzuvollziehen und gibt Raum für Notizen und offene Fragen. Nach und nach soll der*die Neue die Lerninhalte eigenverantwortlich festhalten und ausgehändigte Unterlagen darin abheften. Nach der Schulung bildet das Lerntagebuch ein Nachschlagewerk, in dem der*die neue Mitarbeiter*in bei auftretenden Fragen nochmals Informationen erhalten kann.
Kern des Lerntagebuchs ist der Lernplan, in der die vorgesehenen Lerninhalte festgehalten sind und in der ihre "Abarbeitung" abgezeichnet wird. Alle Seminarleiter*innen und Mentor*innen sollen sich an diese vorgegebene Struktur halten, die Auskunft darüber gibt, welche Inhalte vermittelt und welche Materialien herausgegeben wurden. (Vorlage "Lernplan" siehe Artikel zum Weltladen-Handbuch).
Check Lerntagebuch
- Hefter/Ordner besorgen und mit einem Deckblatt individualisieren
- Wesentliche Infoblätter einheften
- Wichtige Telefonnummern und Kontaktdaten einheften
- Inhaltlichen und zeitlichen Lehrplan erstellen und einheften
- Checkliste für den Ablauf einer Arbeitsschicht im Weltladen erstellen und einheften
- Organigramm des Vereins erstellen und einheften
- Notizblätter für eigene Anmerkungen des*der Mitarbeiter*in einheften
- Textblätter und Schaubilder erstellen oder kopieren und diese zum jeweiligen Schulungstermin aushändigen
Abschluss des Einarbeitungsprozesses und Zertifikat
Um eine qualifizierte Einführung zu gewährleisten, empfiehlt es sich, eine Terminliste anzulegen und den Zeitpunkt für ein erstes Feedback-Gespräch zu vereinbaren. In diesem Gespräch tauschen sich neue*r Mitarbeiter*in und Mentor*in über die ersten Eindrücke der Einarbeitung aus. Diese Reflexion gewährleistet eine gute Weiterarbeit und kann zusätzliches Vertrauen schaffen. Die Gesprächsatmosphäre sollte angenehm und harmonisch gestaltet werden. Im Verlauf der Einarbeitungszeit kann und sollte es mehrere dieser Feedback-Gespräche geben.
Ist die Einarbeitung beendet, sollte ein Abschlussgespräch erfolgen, an dem neben dem*der Mentor*in auch der*die zuständige Koordinator*in der gesamten Einarbeitung im Weltladen teilnehmen sollte. Hier geht es darum, eine gemeinsame Einschätzung über die erreichten Kompetenzen des*der neuen Mitarbeiter*in zu finden und sich gegenseitig Feedback über den gesamten Einarbeitungsprozess zu geben. Sieht sich der*die neue Mitarbeiter*in in der Lage, bestimmte Aufgaben selbstständig zu übernehmen und wie schätzen dies die Anleiter*innen ein? Welche Aufgaben werden dies in Zukunft sein? Da bereits während der gesamten Einarbeitungsphase Gespräche stattfanden, sollten hier keine neuen gravierenden Probleme auftauchen. Es geht vor allem darum, einen Prozess, dessen Tendenz schon vorher absehbar war, zu einem gemeinsamen Abschluss zu bringen.
Am Ende des Gesprächs steht eine Vereinbarung über die weitere Zusammenarbeit bzw. über deren Beendigung. Wenn die Weltladen-Gruppe über eine schriftliche Selbstverpflichtung verfügt, die von allen Mitarbeitenden unterzeichnet wird, so wäre dies der geeignete Moment für den*die neue Mitarbeiter*in, sie zu unterzeichnen. Auch das Zertifikat über den abgeschlossenen Einarbeitungsprozess könnte überreicht werden – netter wäre dies aber im Ladenplenum. Denn die Einarbeitungsphase schließt mit der Übergabe eines geeigneten Zertifikats o.ä. ab, das zur Dokumentation des Gelernten, der eigenen Qualitätssicherung und der Motivation der Mitarbeitenden dient. Mit dem Zertifikat werden die regelmäßige Anwesenheit, die praktische Einarbeitung und die Einführung in die theoretischen Grundlagen des Fairen Handels bestätigt.
Checkliste
- Abschlussgespräch durchführen und protokollieren
- Vereinbarung über weitere Zusammenarbeit treffen
- Feedback auswerten
- Zertifikat/Weltladen-Diplom/Zeugnis formulieren und layouten
- Rückmeldung zum Zeugnis von Mitarbeiter*in einholen
- Ausdruck auf Briefpapier vorbereiten
- "Gestaltete" Übergabe (z.B. im Ladentreff mit kleinem Umtrunk)
Quelle
Weltladen-Dachverband (2007): Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Weltladen gewinnen und einarbeiten. Ein Leitfaden.