Politische Einflussnahme im Fairen Handel
Der Faire Handel zielt seit seiner Gründung darauf ab, mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel zu verankern. Die Weltläden arbeiten in drei Bereichen an der Veränderung des bestehenden Welthandelssystems: Durch die Vermarktung fair gehandelter Produkte, durch Informations- und Bildungsarbeit und durch politische Aktionen. Mit Hilfe von politischen Kampagnen werden Menschen informiert, zum Nachdenken über eigene Konsumgewohnheiten angeregt und motiviert, sich als Bürger*innen zu engagieren. Gleichzeitig wird mittels Lobby- und Advocacy-Arbeit versucht, grundlegende politische Veränderungen zu erreichen, indem der Faire Handel Forderungen an die Politik formuliert.
Was bedeutet Lobbyismus?
Lobbyismus leitet sich vom englischen Begriff Lobby ab – die ursprüngliche Bezeichnung für die Vorhalle des britischen Parlamentsgebäudes, in der sich Abgeordnete mit Gästen trafen. Mittlerweile wird es für die Arbeit all jener genutzt, die für Interessensverbände gegenüber Parlament und Regierung tätig werden, um politische Entscheidungen und Gesetze in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Insgesamt hat Lobby-Arbeit eher ein negatives Image. Hauptkritikpunkt ist, dass es in Deutschland bislang kein transparentes Lobbyregister gibt, das die eingesetzten Ressourcen und Ziele der Lobby-Akteure veröffentlicht. Und tatsächlich: Lobbyarbeit passiert meistens hinter den Kulissen.
Die gemeinnützige Organisation LobbyControl geht davon aus, dass in Berlin weit mehr als 5.000 Lobbyist*innen und in Brüssel sogar 15.000 bis 30.000 aktiv sind. Im Unterschied zu den meisten Lobby-Akteuren vertreten zivilgesellschaftliche Organisationen nicht primär Eigeninteressen. So leistet auch der Faire Handel vor allem so genannte Advocacy-Arbeit für Produzent*innen im Globalen Süden, was sich am ehesten mit Anwaltschaft und Fürsprache übersetzen lässt. Die World Fair Trade Organization (WFTO) bezeichnet sich entsprechend als „globales Netzwerk und Anwalt für Fairen Handel, das sicherstellt, dass die Stimmen der Produzent*innen gehört werden“.
Der Faire Handel in Berlin
Das Forum Fairer Handel (FFH) ist die politische Stimme des Fairen Handels in Berlin. Es wurde gegründet, um die Lobby- und Advocacy-Arbeit des Fairen Handels auf Bundesebene effektiver zu gestalten. Seit 2009 hat die Geschäftsstelle ihren Sitz in der Bundeshauptstadt, um dort kontinuierlich als Ansprechpartnerin für die Politik zur Verfügung zu stehen.
Mit seinen Mitarbeiter*innen vertritt es seine Mitglieder gegenüber der Politik. Die politischen Aktivitäten des FFH sind vielfältig: Unterschriften-Übergaben, die Teilnahme an handels- und entwicklungspolitischen Konferenzen, das jährliche Faire Frühstück im Bundestag, regelmäßige Kontakte zum Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) – sowohl auf Mitarbeiter*innen als auch auf Führungsebene –, Veröffentlichungen von politischen Positionspapieren, Gespräche mit Politiker innen bei der Internationalen Grünen Woche u.v.m. Wo möglich, werden Vertreter innen von Produzent* innen-Organisationen in die politischen Gespräche eingebunden, damit sie ihre Forderungen selbst vorbringen.
Der Faire Handel in Brüssel
Wie die meisten Verbände hat auch der Faire Handel eine Repräsentanz in der europäischen Hauptstadt. Das Fair Trade Advocacy Office (FTAO) koordiniert seit 2010 die politischen Aktivitäten der Fair-Handels-Bewegung auf europäischer und internationaler Ebene in Brüssel. Das Büro wird getragen von der WFTO, WFTO-Europe und Fairtrade International.
Damit vertritt das FTAO die Interessen der gesamten Fair-Handels-Bewegung gegenüber der EU-Politik. Es hat das klare Mandat, mehr Unterstützung für Fairen Handel und Handelsgerechtigkeit auf EU-Ebene zu fordern. Immer mit dem Ziel, die Lebens- und Arbeitsbedingungen für benachteiligte Kleinproduzent*innen im Süden zu verbessern. Dazu beobachten die Mitarbeiter*innen in Brüssel die europäische und internationale Handels- und Entwicklungspolitik, entwickeln und veröffentlichen politische Positionen und
Der Faire Handel in den Wahlkreisen in Deutschland
Für Weltläden bieten sich verschiedene Möglichkeiten, die politischen Interessen des Fairen Handels voranzubringen:
- Vernetzung mit anderen Initiativen vor Ort (lokale Bauernverbände, Gewerkschaften etc.). Fair-Handels-Forderungen sind oft komplementär.
- Besuch von öffentlichen Veranstaltungen und aktives Fragestellen aus dem Publikum
- Besuch der Bundes-, Landtags- und Europa-Abgeordneten im Wahlkreisbüro.
- Einladung der Abgeordneten aus dem eigenen Wahlkreis zu eigenen Veranstaltungen des Weltladens.
- Wahlprüfsteine oder Forderungspapiere nutzen, die die Landesnetzwerke, das Forum Fairer Handel (FFH) oder das Fair Trade Advocacy Office (FTAO) vor Wahlen zur Verfügung stellen.
- Den Prozess zur Fairtrade-Town nutzen und die Steuerungsgruppe unterstützen, um die Veränderungen, gerade auch bei der fairen öffentlichen Beschaffung und dem Verbrauch bei Schulen und Vereinen auf hohem Niveau zu positionieren. Die Bewerbung zur „Hauptstadt des Fairen Handels“ anregen, für die von Beginn an hohe Kriterien erfüllt werden müssen.
- Veranstaltungen außerhalb des Weltladens, wie zum Beispiel Stadtteil-Feste, nutzen, um politische Botschaften des Fairen Handels zu präsentieren und die Zusammenarbeit mit der Kommune auszubauen.
Stand: November 2023
Quelle
Espresso Nr. 8 (April 2016): Politische Einflussnahme im Fairen Handel