Fairtrade-Standards
Produkte, die mit dem Fairtrade-Siegel ausgezeichnet sind, werden nach den internationalen Standards von Fairtrade International hergestellt und gehandelt.
Aufbau der Standards
Die Fairtrade-Standards sind mehrstufig aufgebaut. Es gibt zum einen auf die jeweilige Organisationsform ausgerichtete allgemeine Standards, die für die Handelspartner im Süden gelten. Sie umfassen Anforderungen aus den drei Teilbereichen der Nachhaltigkeit: Soziales, Ökonomie und Ökologie.
Hierzu gehören:
- demokratische Entscheidungsprozesse in Produzentenorganisationen, an denen sich die Mitglieder beteiligen können
- Transparenz der Organisation gegenüber ihren Mitgliedern
- Diskriminierungsverbot
- Zahlung eines Mindestpreises, der die "Kosten der nachhaltigen Produktion" decken soll
- Zahlung einer Fairtrade-Prämie, über deren Verwendung für Investitionen und zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bauern- bzw. Arbeiterfamilien ohne Vorgabe von Fairtrade gemeinschaftlich entschieden wird
- Verpflichtung zur Vorauszahlung eines Teils der Gesamtsumme
- möglichst reduzierter und sicherer Einsatz von Agrochemikalien, proaktive Förderung von Bio-Anbau
- ordnungsgemäßer und sicherer Umgang mit Abfall
- Ressourcenschutz, Biodiversitätsschutz, Klimaschutz
- Ausschluss von GVO (gentechnisch veränderten Organismen)
Die Anforderungen in Bezug auf Zahlung der Preise, Fairtrade-Prämie, Vorfinanzierung, Langfristigkeit der Handelsbeziehung müssen von Händlern erfüllt werden und sind im Händler-Standard dargelegt. Die Anforderungen in den anderen Bereichen gelten nur für die Produzent*innen-Organisationen und sind je nach deren Organisationsform unterschiedlich formuliert.
So gibt es jeweils spezifische Standards für Fairtrade-Produktion:
- durch Kleinbäuer*innen ("Small Producer Organizations"),
- durch Lohnarbeiter*innen ("Hired Labour") oder
- im Vertragsanbau ("Contract Production").
Die Standards sind jeweils unterteilt in:
- Kern- bzw. Minimalanforderungen, welche die Produzent*innen beim Einstieg in die Zertifizierung erfüllen müssen (z.B. Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen) sowie
- Anforderungen für den weiteren Entwicklungsprozess.
Die allgemeinen Standards werden mittels produktspezifischen Richtlinien ("Product Standards") nochmals konkretisiert. Standards liegen vor z.B. für Kaffee, Bananen, Fruchtsäfte, aber auch für Sportbälle, Blumen, Baumwolle oder Gold – bislang gibt es Produktstandards für 20 Kategorien.
Fairtrade wendet zudem einen "Händler-Standard" ("Trader Standard") an. Dieser wurde 2015 komplett überarbeitet. Er umfasst z.B. die Zahlung eines kostendeckenden Preises, Zahlung der zusätzlichen Fairtrade-Prämie, verpflichtende Bereitstellung von Vorfinanzierung, Einhaltung der ILO Kernarbeitsnormen entlang der Handelskette, Umweltkriterien sowie Regelungen zur Zusammensetzung von Produkten (100 %-Regel bei Monoprodukten, Mindestanforderungen bei Mischprodukten, Maßnahmen zur physischen Rückverfolgbarkeit und zum Mengenausgleich).
Für die meisten Fairtrade-Rohstoffe gibt es einen festgelegten Mindestpreis, der von Fairtrade International in regelmäßigen Abständen bzw. auf Antrag ermittelt und festgelegt wird. Wenn der Marktpreis höher liegt, erhalten die Produzent*innen mindestens den Marktpreis. Die Zahlung der Preise wird regelmäßig von FLOCERT überprüft. Die jeweils geltenden Mindestpreise und Fairtrade-Prämien sind auf einer Liste eingetragen, werden laufend aktualisiert und sind öffentlich zugänglich.
Fairtrade führt eine Liste von verbotenen Substanzen ("Prohibited Materials List") für den konventionellen Anbau. Zudem definiert Fairtrade International die Länder, in denen Fairtrade-Produktion zertifiziert werden kann ("Geographical Scope of Producer Certification") und richtet sich dabei nach dem Human Development Index (HDI), dem Weltbank Gini-Index und der DAC-Liste der OECD. "Industrieländer" (OECD-Länder) sind hierbei ausgeschlossen.
Entwicklung der Standards
Die Fairtrade-Standards werden von Fairtrade International nach den von ISEAL vorgegebenen Richtlinien ("best practice") entwickelt. Das zuständige Gremium bei Fairtrade International ist das "Standards Committee" (Standards-Komittee), das zusammen mit der entsprechenden Abteilung bei Fairtrade International ("Standards Unit") die Standards entwickelt, veröffentlicht und regelmäßig überarbeitet und anpasst. Dies geschieht in einem mehrstufigen Prozess aus Bedarfsermittlung, Planungsphase, Stakeholder-Konsultation, Entwurf und schließlich Freigabe. Im Standards Committee sind Vertreter*innen der Produzent*innen-Netzwerke in Afrika, Asien, Lateinamerika, von Nationalen Fairtrade-Organisationen und Händlern vertreten. Während der Standardentwicklung findet ein Konsultationsprozess statt, indem alle jeweils Betroffenen – die sogenannten "Stakeholder" (in der Regel die Beteiligten am Fairtrade-System) – das Recht haben, ihre Kommentare einzubringen. Die Standards werden stetig weiterentwickelt und in regelmäßigen Abständen überarbeitet.
Kontrolle
Die Kontrolle der Einhaltung der Fairtrade-Standards geschieht ausschließlich über FLOCERT. Die Überprüfung der Standards findet damit getrennt von ihrer Entwicklung statt. Alle beteiligten Akteure, von Produzent*innen-Gruppen über Exporteure, Importeure und Hersteller, werden von FLOCERT GmbH in regelmäßigen Abständen (angekündigt und unangekündigt) in Audits überprüft. FLOCERT arbeitet dabei mit ortsansässigen Inspektor*innen. Ziel ist, den kompletten Weg eines Produktes vom Anbau bis zur Verpackung entweder physisch oder anhand von Dokumenten zurückzuverfolgen. Auf Grundlage der Auditberichte entscheidet FLOCERT dann über die Aufnahme (bzw. den Verbleib) einer Organisation/eines Unternehmens in das Fairtrade-System.
Bei Produzent*innenorganisationen werden insbesondere die Einhaltung der organisations- und produktspezifischen Fairtrade-Standards, die Verwendung der Prämien und die Maßnahmen und Projektumsetzung gemäß dem von jeder Organisation/Unternehmen vorzulegenden Entwicklungsplan überprüft. Bei den Händlern kann es sich um Fair-Handels-Organisationen, Ex- oder Importeure oder weiterverarbeitende Unternehmen handeln. Sie sind verpflichtet, ihre Verkaufszahlen regelmäßig an FLOCERT zu melden. Sie werden von FLOCERT auf die Einhaltung des Händlerstandards überprüft. Durch die Kombination der Überprüfung verschiedener Dokumente soll sichergestellt werden, dass Produkte mit dem Fairtrade-Siegel tatsächlich auch aus zertifizierter Produktion stammen. Bei den Lizenznehmern (den Herstellern der Endprodukte) kann es sich um Einzel- oder Großhändler sowie Fair-Handels-Organisationen handeln. Voraussetzung ist der Erwerb einer Lizenz bei der jeweiligen Nationalen Fairtrade-Organisation (für Deutschland: TransFair/Fairtrade Deutschland). Mittels eines Meldesystems und des Einsatzes externer Rechnungsprüfer*innen kontrollieren FLOCERT und TransFair, dass nicht mehr Produkte mit dem Fairtrade-Siegel verkauft werden, als bei den Produzent*innen unter fairen Bedingungen eingekauft wurden.
Zum Weiterlesen
2016_Fairtrade Deutschland_Fairtrade-Standards – Entwicklung Inhalte und Kosten.pdf